Träume sind Schäume?
Ich habe weiß Gott schon viele verrückte Sachen erlebt. Ich hatte hemmungslosen Sex mit wildfremden Männern (und ebenso mit welchen, die nicht so wildfremd waren und deren Frauen es besser nie erfahren sollten), bin vor dem Terminator auf der Flucht durch Endzeitwelten gestolpert, und konnte seinerzeit sogar fliegen. Was aber vermutlich weniger an mangelnder Gravitation, als vielmehr an den Drogen lag, die ich kurz zuvor konsumiert hatte. Obwohl ich mir manchmal wünschte, einige dieser Erinnerungen wären wahr, bin ich bei vielen ganz froh, dass sie lediglich ein Konstrukt meiner Phantasie sind. Nachts im Schlaf bastelt sich mein Gehirn nun mal seine ganz eigenen Bestseller zusammen.
Gestern Nacht bildete keine Ausnahme. Ich steckte in einem fünfköpfigen Ermittlerteam, das versuchte, den Mord an einem Kollegen aufzuklären. Der mutmaßliche Täter war ein halbwüchsiger Mann mit zwielichtigem Gesichtsausdruck und unverständlicher Aussprache. Unser Büro, oder sollte ich besser sagen, die »Crimezentrale à la CSI-Vorabendserie«, befand sich in einem behelfsmäßig eingerichteten Container, dessen Türen die ganze Vernehmung über sperrangelweit offen standen. Warum auch immer der Verdächtige seine Chance nicht genutzt hat, zu entkommen, bleibt wohl auf ewig ein Rätsel, das selbst die TKKG Bande niemals lösen würde. Letztendlich konnte ich den Bösewicht anhand einer weggeworfenen grau-orange-gelben Tasche überführen, die zuvor von Zeugen am Tatort gesehen worden war.
Meiner Beförderung stand nichts mehr im Weg. Außer der Tatsache, dass ich schlagartig keine Ermittlerin mehr war, man mir auf meine Mailbox gesprochen hatte und ich mich kurz darauf auf dem Weg zum Karneval befand. Mein Kostüm als Cowgirl, hatte ich unglücklicherweise vergessen und so lief ich splitternackt durch meinen Heimatort zurück nach Hause. Peinlich war mir die ungewollte Aktion irgendwie nicht, obwohl die Straßen im Gegensatz zu sonst recht gut besucht waren. In Höhe einer beliebten Schankwirtschaft wurde eine Gruppe junger Männer auf mich aufmerksam, was ich ihnen nicht verdenken konnte, da es nicht sehr häufig vorkommt, dass eine volltätowierte Rothaarige unbekleidet durch unseren Heimatort flaniert. Sie saßen an einem Außentisch und machten mir das herzzerreißende Kompliment »Schicke Möpse«, welches ich mit einem Grinsen und den Worten »Ich weiß« etwas zurückhaltend aber dennoch stolz kommentierte.
Zuhause angekommen hatte ich leider vergessen, was ich dort wollte, woraufhin ich mich dazu entschloss, einen Blogartikel für meine Website zu verfassen, der vor Rechtschreibfehlern nur so wimmelte. In mühevoller Kleinarbeit berichtigte ich Fehler um Fehler, was aufgrund verschwindender Buchstaben auf dem Papier leider nicht von Erfolg gekrönt war. Dass ich in der Realität weder einen Blog auf meiner Website habe, noch irgendwelche Geschichten für meine Website handschriftlich auf Papier verfassen würde, machte mich kein bisschen stutzig. Wohl auch, weil ich von einer zugeschlagenen Tür aus meinen Träumen gerissen wurde. Fortan wird diese orthografische Sünde wohl auf ewig durch das World Wide Web meiner Traumwelten geistern.
Positiv gesehen bin ich ganz froh, wieder aufgewacht zu sein, obwohl das Ermitteln echt Spaß gemacht hat und ich zumindest einen der jungen Burschen, die Gefallen an meinen »Möpsen« gefunden hatten, gerne etwas näher kennengelernt hätte. Aber man kann ja bekanntlich nicht alles haben und wer weiß, vielleicht begegne ich dem Mann meiner Träumen ja irgendwann tatsächlich auf der Straße. Ich hoffe nur, er starrt in dem Fall nicht unentwegt auf meine entblößten Brüste, sondern schaut sich ebenfalls meinen volltätowierten Körper an. Es war immerhin harte Arbeit und zeitweise echt schmerzhaft so gut auszusehen.
© Dezember/2018 Sophie Brandt