Den Ideen eine Form geben…
Ein Gastbeitrag von Karin Lassen
Den Ideen eine Form geben – der Plot!
Kürzlich in einem Autorenforum. Ein Teilnehmer fragte nach einer Alternative zur bisher verwendeten Plot-Struktur, da ihm diese für das geplante neue Krimi-Vorhaben ungeeignet schien. Nach einer entsprechenden Empfehlung erklärte ein weiterer Teilnehmer, er plotte ausschließlich im Kopf, während ein dritter die Ansicht vertrat, mit „mechanischen Systemen“, wie den in der Diskussion genannten, könne man das Schreiben nicht erlernen. Die darauf folgenden Kommentare ließen sich auf zwinkernde und grinsende Smileys reduzieren.
Thema verfehlt? Anstatt des gewünschten fachlichen Austauschs wurden lediglich (Be-)Wertungen, vollkommen selbstverständlich und dabei ohne Kenntnis der im Beitrag genannten Plot-Methoden, abgegeben. Wie traurig. Abgesehen davon, dass sich die Frage ohnehin nicht aufs Schreiben, den kreativen und phantasievollen Prozess, sondern auf Form und Struktur, technische und methodisch anwendbare Werkzeuge, bezog, zeugen solch (wenig hilfreichen) Kommentare wieder einmal von der merkwürdigen und hierzulande weit verbreiteten Haltung, Schreiben sei ausschließlich eine Frage des Talents.
Die Struktur – ein starres Konstrukt?
Erinnern Sie sich noch an den Deutschunterricht in der Schule? Ungefähr ab der achten Klasse wurden Sie an das methodische Verfassen von Aufsätzen und Erörterungen herangeführt. Man machte sie mit dem Aufbau von Gliederungen vertraut, die Sie anschließend als Grundgerüst Ihres Textes verwendeten. Bevor Sie also dem Schreibfluss freien Lauf ließen, überlegten Sie sich verschiedene Argumente, die zu einem schlüssigen Ergebnis führten. Ihr Text folgte dieser Struktur und wurde dank Ihrer Kreativität lebendig.
Ein Plot ist nichts anderes. Ausgehend von einer Grundidee legen Sie den Handlungsablauf fest, steigern mit bestimmten Ereignissen die Spannung und führen sie zu einem Höhepunkt. Kann man natürlich komplett im Kopf erledigen. Doch da Sie vermutlich nicht jeden Tag von 9.00 h bis 16.00 h ohne Ablenkungen an Ihrem Text arbeiten, verflüchtigen sich manche Ideen auch gerne, und Ihre Geschichte entwickelt plötzlich ein unbeabsichtigtes Eigenleben. Oft entstehen dann Handlungsstränge, die sich nicht immer zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenfügen lassen.
Haben Sie hingegen einen ausgeklügelten Plot verfasst, verlieren Sie den roten Faden nicht mehr so schnell. Stellen Sie im Lauf Ihrer Geschichte fest, dass die Ausgangsidee doch nicht ganz so spannend war, nun, dann ändern Sie Ihren Plot entsprechend. Beim Kochen fügen Sie ja schließlich auch das eine oder andere Gewürz hinzu oder tauschen Zutaten aus, wenn Ihnen beim Abschmecken neue Ideen kommen. Das Grundrezept lässt sich variieren.
Der Plot – Fundament und roter Faden
Der Plot, die Struktur oder unser roter Faden, basiert auf einem Dramenmodell. Dabei handelt es sich keineswegs um eine neuzeitliche Erfindung, bereits Aristoteles beschäftigte sich eingehend damit. Der einfachste Aufbau ist ein Dreiakter. Er beginnt mit der sog. Exposition, der Einführung. Sie verbindet beispielsweise die Vergangenheit mit der Gegenwart, in der die Geschichte nun beginnt, macht den Leser mit der Ausgangssituation vertraut, zieht ihn ins Geschehen hinein. Im (gedachten) zweiten Teil, der Entwicklung, spitzen sich nun die Konflikte zu, ergeben sich Verwicklungen, die zum Höhepunkt hinstreben. In der Komödie löst sich im dritten Teil alles in Wohlgefallen auf, während die Tragödie in eine Katastrophe gipfelt.
Auch der Fünfakter basiert auf dieser drei-Akt-Struktur. Allerdings gibt man dem zweiten Teil des Dreiakters, der Entwicklung, zusätzlichen Raum. Hierfür teilt man diesen Baustein in weitere drei Teile. Somit schafft man eine Struktur aus der Exposition (Teil 1), lässt die Spannung ansteigen (Teil 2), gelangt zum Höhe- und Wendepunkt (Teil 3), schafft bei abfallender Spannung ein sog. retardierendes Moment, ein Ereignis, das die Handlung verzögert und einen scheinbaren Ausweg darstellt (Teil 4) und schickt den Leser anschließend in die Katastrophe bzw. die Glückseligkeit (Teil 5).
Es gibt zahlreiche weitere Möglichkeiten zu plotten, beispielsweise das sieben-Punkte-System, die Heldenreise oder das Blake Snyder Beat Sheet, die trotz einiger Besonderheiten im Grunde alle auf dieser klassischen Struktur basieren.
Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die Schneeflockenmethode. Diese orientiert sich an der geometrischen Form ihrer Namensgeberin, die letztlich durch immer neues Teilen und Aneinanderfügen entsteht. Ähnlich verfährt man bei seinem Plot.
Man beginnt mit einem zentralen Gedanken, fasst hierfür seine Geschichte in einem einzigen Satz aus maximal 15 Worten zusammen, erweitert diesen anschließend zu einem Absatz, der die drei größten Katastrophen, Wendepunkte und das Finale enthält und skizziert dann in einem dritten Schritt die verschiedenen Charaktere, ihre Motive und Ziele.
Dieser Komplex ist nun der Kern des vierten Schrittes, in dem man einen einseitigen Handlungsentwurf verfasst. Jetzt geht es noch tiefer. Denn im fünften Schritt schildern Sie die Handlung aus Sicht ihrer Charaktere.
Es folgt der sechste Schritt, in dem Sie den Handlungsentwurf aus Schritt vier nun umfangreicher ausarbeiten, nämlich auf insgesamt vier Seiten. Der siebte Schritt gehört wieder Ihren Charakteren, die Sie an dieser Stelle detailliert beschreiben.
Es folgt Schritt acht mit einer Darstellung der verschiedenen Szenen, die Sie später in einzelnen Kapitel zusammenfassen. In Schritt neun werden diese genauer ausgearbeitet (wobei dieser Schritt als optional gilt und manchmal auch weggelassen werden kann). Dann endlich kommt Schritt zehn, die Rohfassung Ihres Romans.
Ran an den Plot
Nicht jede Struktur ist für alles und jeden geeignet. Man muss sich herantasten, ausprobieren. Während der eine auf Schneeflocken schwört, begeistert sich der andere für Heldenreisen oder den Waldscheidt-Fünfakter. Gut, dass es Vorlagen gibt, an denen man sich orientieren kann. Eine wahre Fundgrube ist das Autorenprogramm Patchwork. Dort finden Sie alle der hier genannten Plot-Vorlagen und noch einige andere mehr. Inklusive ausführlichen Beschreibungen und mit anschaulichen Beispielen versehen. Einfach einmal die 30-Tage-Demoversion herunterladen und losgeplottet. Die Demoversion beinhaltet übrigens sämtliche Funktionalitäten der kostenpflichtigen Version und kann – wenn gewünscht – nach Erwerb der Lizenz einfach weiter genutzt werden. Na dann, nichts wie ran an den Plot!
Kleiner Tipp: Kleiner Tipp: Auch Martin Daneschs eBook Ich möchte gern ein Buch schreiben: Ein Prozessbegleiter von der Idee bis zur Veröffentlichung geht auf das Thema Plot ein und enthält noch etliche andere hilfreiche Hinweise auf dem Weg von der Idee bis zum fertigen Buch.