Mikrofiktion

Verdun

Mit stocksteifen Fingern, durchnässter Uniform und aufgeweichten Lederstiefeln, verharren wir regungslos im knietiefen Morast. Der anhaltende Regen hat den Graben in eine Schlammgrube verwandelt. Die Feuchtigkeit steckt uns tief in den Knochen. Mein rechter Fuß ist entzündet, jeder meiner Schritte reißt an den Wunden.

»Waffen geladen?«
»Jawohl Herr Leutnant!«

Meine Einheit ist erst seit wenigen Tagen vor Ort. Junge Männer wie ich, nicht älter als zwanzig. Ihre Gesichter machen keinen Unterschied zu denen von halbstarken Kindern. Die Kälte, die Nässe, die umgehende Krätze; frisst uns die Haut von den Muskeln. Jede Minute hier unten, verwandelt sich unweigerlich in eine Ewigkeit.

»Bajonette aufgepflanzt?«
»Jawohl Herr Leutnant!«

Das Donnern der Geschütze ist ohrenbetäubend, Blitze zucken über den Himmel. Der Tod ist allgegenwärtig, das Sterben grausame Normalität. Schlaf findet man in den ersten Nächten nur selten. Zu angsteinflößend der Gedanke, eine Kugel könnte dich treffen, eine Granate dich in Stücke reißen, ein plötzlicher Gasangriff deine Lungen verätzen. Bei Sonnenuntergang gibt es keine Gewissheit, ob du ihr warmes Leuchten jemals wiedersiehst.

»Bereithalten Männer!«
»Jawohl Herr Leutnant!«

Heute ist der Tag der Tage. Der Befehl kommt von ganz oben, weitergereicht durch unzählige Hände. Hinab zu uns, die wir zu Zehntausenden im Dreck die Ehre und den Stolz unseres Vaterlandes verteidigen. Eine Weigerung wäre das Todesurteil, Deserteure werden erschossen. Unser Leutnant kennt keine Gnade!

»Vorwärts Männer!«

Mein einziger Gedanke, bevor wir ihm in den sicheren Tod folgen: »Hoffentlich bringt jemand meine letzten Worte zu meiner geliebten Frau!«

 

© August/2018 Sophie Brandt

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